WOLFGANG TEMME

Bärbel Tannert

Kunsthistorikerin, München


INSERT - ein Einbau

Der klare Raumkörper ist nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Eine Orientierung kann nur im Umgehen des Einbaus gelingen. Dadurch wird die bisherige Funktion des Raumes aufgehoben und wie Donald Judd es für sein Werk formulierte „Raum aus Raum geschaffen“. Es findet eine Funktionsbefragung von Raum statt, die zu einer Umdeutung des bisher erblickten Ortes führt. Zwischen Mensch und Raum und seiner jeweiligen Funktion besteht eine Wechselwirkung, die dem Raum ein Bild einprägt, das auch dann noch besteht, wenn der Eingriff in den Raum schon längst einer anderen Inbesitznahme gewichen ist. Raum ist nicht nur indifferent und unterliegt den Maßgaben der Baumeister. Raum wird erlebt. Manchmal, so D.Judd, „betreten wir eine Kathedrale, erkennen Raum (in seiner wirklichen, eben auch geistigen Dimension) und danken Gott statt dem Architekten.“ (D.Judd, Farbe, Katalog zur Ausstellung im Sprengel Museum Hannover, 2000, S.80)

Dem versucht Temme Rechnung zu tragen, indem er mit einer Weiterentwicklung seiner Plastiken in den Raum hinein - an der Schnittstelle zur Architektur - zu einer Klärung der vorgefundenen Raumsituation kommen möchte, in der zugleich die zeitliche Begrenztheit dieser neuen Situation zum Ausdruck kommt. Der Einbau - in seiner geradezu kruden Materialität, die den ephemeren Charakter der Arbeit besonders deutlich werden lässt - entfaltet massive Wirkung und nimmt Einfluss auf den Ort. Der eingestellte Körper klärt die verschiedenen Charaktere der Raumteile. Er verkörpert im wahrsten Sinne des Wortes den störenden Charakter der statisch unnötigen Säulen. Er verbirgt und deckt zugleich auf; er bleibt Störung und wird zugleich Neues. Aus einem Mangel eines unklaren Raumgefühls heraus wird das konstituierende Element der Intervention. Der branchenüblichen Festigkeit des Materials in der Architektur (Stahl, Beton) wird hier eine raue, der Vergänglichkeit preisgegebene Materialität entgegengesetzt, die dem eigentlichen Prozess eines stabilen Bauens vorausgeht, ihren eigenen Charakter behauptet und der Intention von Zeitlichkeit der Intervention folgt. Seine Intervention will das Bauen im Gebauten, den Prozess im Resultat gegenwärtig halten

aus der Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung

INSERT STATION FOE 156, München